Bindungstheorie

BindungWenn Sie in nächster Zeit ein Baby bekommen, haben Sie sicherlich schon darüber nachgedacht, welche Anschaffungen Sie tätigen müssen. Wichtiger als Materielles ist aber, dass sich ein Baby von seinen Eltern geliebt und angenommen fühlt und es von ihnen in all seinen Bedürfnissen verstanden wird.

Menschen jedes Alters haben das Bedürfnis, enge stark emotional geprägte Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen, die von räumlicher und zeitlicher Dauer sind. Dies wird „Bindung“ genannt. Die Grundlagen dafür sind bereits bei der Geburt vorhanden, was sich darin zeigt, dass Neugeborene

  • die menschliche Mimik nachahmen (sie strecken z. B. ihre Zunge heraus, wenn sie dies bei Mutter oder Vater beobachten)
  • die Stimme ihrer Mutter sofort nach der Geburt wiedererkennen
  • einen Blickkontakt herstellen oder abbrechen und
  • sich stimmlich ausdrücken können.

Eltern sind von der Natur auf die Pflege und Versorgung eines Säuglings vorbereitet. Viele ihrer Handlungen geschehen „automatisch“ und sind in allen Kulturen zu beobachten. Ein Beispiel dafür ist die Art, wie Eltern mit ihrem Säugling sprechen. Dazu benutzen sie eine höhere Tonlage, sprechen deutlicher als normal, betonen besonders wichtige Wörter und vermeiden komplizierte Sätze. Dies nennt man „Ammensprache“ oder „baby talk“.

Kann ein Kind zu seinen Eltern eine sichere Bindung aufbauen, ist dies ein grundlegender Baustein für seine spätere psychische Gesundheit.

Eine sichere Bindung entsteht dann, wenn die Eltern die kindlichen Bedürfnisse richtig deuten und auf sie sofort und angemessen reagieren. Ein Beispiel dafür ist die Reaktion auf das Schreien des Kindes. Weit verbreitet ist die Annahme, dass es das Schreien verschlimmert, wenn das Baby hochgenommen und getröstet wird. Ein Baby ist jedoch erst gegen Ende des ersten Lebensjahres in der Lage, absichtsvoll zu handeln und sein Schreien gezielt einzusetzen. Braucht ein Baby nur kurz zu schreien, bis es Zuwendung erfährt, schreit es langfristig weniger. Es lernt, dass es nicht nötig ist, lange und ausgiebig zu schreien. Es entdeckt dadurch auch andere – weniger „durchdringende“ Mitteilungsmöglichkeiten (z. B. quengeln, grimmassieren).

Ist ein Kind sicher gebunden, gewinnt es zunehmend Vertrauen in sich und in seine Umwelt. Es entfernt sich später auch in unbekannter Umgebung furchtlos von seinen Eltern, um zu spielen. Kann es durch zurückweisende und unfeinfühlige Behandlung dagegen keine sichere Bindung aufbauen, reagiert es unsicher, ärgerlich oder misstrauisch oder vermeidet den Kontakt zu seinen Eltern, wenn es Trost braucht.

Sehr bald bildet das Kind Erwartungen darüber aus, wie sich seine Eltern ihm gegenüber verhalten werden und was es von ihnen zu erwarten hat. Die Erfahrungen, die ein Mensch in seiner ersten Lebenszeit macht, prägen seinen gesamten weiteren Entwicklungsweg. Ein einmal eingeschlagener Entwicklungsweg wird normalerweise auch beibehalten und verfestigt sich durch Gewohnheiten.

Bindung

Frühe Prägung – bleibende Erfahrung

Negative wie positive frühkindliche Bindungsmuster können sich über Generationen hinweg vererben, so dass sich die unfeinfühlige Behandlung, die die Großmutter als Baby erfahren hat, noch Auswirkungen auf deren Enkelkinder haben kann. Sind die Bindungserfahrungen jedoch positiv, bilden sie die Basis für gute Freundschaften, Partnerschaften und einen herzlichen sozialen Umgang.

Eigene negative Bindungserfahrungen als Kind beeinflussen unser Leben jedoch nicht zwingend. Es ist während des gesamten Lebenslaufs möglich, eigene negative Bindungserfahrungen zu verarbeiten und positive, sichere Bindungen zu unseren Mitmenschen einzugehen.